Sie waren Hitlers Steigbügelhalter | Interview im Straubinger Tagblatt

17. Dezember 2019
Grünen-Politiker Grundl sieht kein Recht der Hohenzollern auf Entschädigung

Straubinger Tagblatt, 07.12.2019

Interview: Markus Lohmüller

Es ist ein Streit um Kunstschätze, Geld und Wohnrecht auf kaiserlichen Schlössern. Das Haus Hohenzollern fordert vom Staat Entschädigung für den Verlust einstiger Reichtümer. Die Grünen im Bundestag lehnen dies strikt ab, wie ihr kulturpolitischer Sprecher, Erhard Grundl, im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt. Was den Bundestagsabgeordneten aus Straubing im Moment noch umtreibt, ist die Zukunft der deutschen Clubszene. Seiner Meinung nach braucht es hier mehr Unterstützung durch die Bundesregierung.

 

Herr Grundl, der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg verhandeln derzeit mit den Hohenzollern über Entschädigungen. Worum geht es bei den Gesprächen?

Erhard Grundl: Das Haus Hohenzollern fordert die Rückgabe von rund 6000 Kunstgegenständen. Darüber hinaus geht es um ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof, Schloss Lindstedt und in der Potsdamer Villa Liegnitz sowie 1,2 Millionen Euro Entschädigung vom Land Brandenburg. Das Adelshaus will damit eine Enteignung durch die sowjetische Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg rückgängig machen. Die Gespräche darüber verliefen sechs Jahre im Geheimen und kamen erst im Sommer in die Presse. Auf meine erste Anfrage hin verwies Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) noch auf eine Verschwiegenheitsklausel. Erst nach einer zweiten Anfrage gab es Auskunft über den Umfang der Forderungen.

 

Haben die Hohenzollern ein Recht auf Entschädigung?

Grundl: Sie berufen sich bei ihren Forderungen auf das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994*. Darin sind allerdings Personen ausgenommen, die dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet haben. Diese sind nicht berechtigt, die Rückgabe von ehemaligem Besitz zu fordern. Das ist genau der Knackpunkt bei den Anliegen der Hohenzollern.

Sie sind gegen eine Entschädigung? Grundl: Auf jeden Fall. Wir Grünen haben im Bundestag einen Antrag gestellt, mit dem wir den Bundestag auffordern, die Verhandlungsgrundlage zu klären und die Auffassung zu teilen, dass die Hohenzollern Hitlers Steigbügelhalter waren. Dazu gibt es nun Anfang nächsten Jahres im Kulturausschuss eine Anhörung mit Historikern und Juristen als Sachverständigen. Nach eindeutiger Expertenmeinung war Kronprinz Wilhelm, Sohn des letzten deutschen Kaisers, ein Fan von Adolf Hitler und leistete mit seinen öffentlichen Auftritten und Erklärungen dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub.

 

Die Hohenzollern selbst sehen das anders.

Grundl: Sie haben natürlich ebenfalls Historiker bemüht. Auch die stellen nicht infrage, dass der Kronprinz ein glühender Verehrer von Hitler war, in SA-Uniform** paradierte und damit zum Teil den Führerkult vorwegnahm. Man versteift sich aber auf das Argument, dass Wilhelm insgesamt keine große politische Bedeutung gehabt habe. Hier wird die Rolle des Königshauses für die Machtergreifung Hitlers heruntergespielt. Die Hohenzollern boten auch in der Weimarer Republik noch vielen Menschen Orientierung. Ein Blick nach Regensburg zeigt, dass es auch andersdenkenden Adel gab: Karl August von Thurn und Taxis, der Schwiegervater der jetzigen Fürstin, war ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten. Er verbot seinen Söhnen, zur Hitlerjugend zu gehen, und saß später sogar für einige Zeit in einem Gefängnis der Gestapo.

 

Sie konnten kürzlich mit der Straubinger Musikkneipe „Raven“ feiern, als diese den Spielstättenpreis „Applaus“ erhielt. Wie ist es um die Clubszene in Deutschland bestellt?

Grundl: Um die Clubszene steht es nicht gut. Die Clubs müssen immer öfter heranrückender Bebauung weichen. Das ist vor allem in Großstädten der Fall, betrifft aber mittlerweile auch den ländlichen Raum. In Straubing zum Beispiel gab es früher viel mehr Möglichkeiten für Bands, live zu spielen. Der Spielstättenpreis „Applaus“ ist eine direkte Möglichkeit der Kulturförderung durch den Bund und das „Raven“ hat diesen Preis absolut verdient. Clubs und Livebühnen sind Orte, an denen man zusammenkommt. Sie sind ein Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.

 

Was kann die Bundesregierung Ihrer Meinung nach für die Clublandschaft tun?

Grundl: Da gibt es viele Möglichkeiten – unsere Fraktion hat sie vor Kurzem in einem Antrag zusammengetragen. Die Anerkennung von Clubs im Baurecht als Kultureinrichtungen wäre ein riesiger Schritt. Im Moment werden sie von Politik und Verwaltung immer noch wie Spielhallen oder Bordelle eingestuft. Ein Clubkataster würde Investoren frühzeitig darüber informierten, dass es vor Ort etwas gibt, was man nicht einfach wegreißen kann. In mehreren Bundesländern gibt es bereits einen sogenannten Schallschutzfonds. Einen solchen braucht es auch auf Bundesebene. Kein Clubbetreiber will seine Nachbarn um die Nachtruhe bringen, aber für die erforderlichen Maßnahmen fehlen oft die nötigen Mittel.

*Anm.: In der Druckversion stand noch das falsch transkribierte Datum „1996“, in Onlineversion wurde dies korrigiert.

**Anm.: In der Druckversion stand noch das falsch transkribierte „SS-Uniform“, in Onlineversion wurde dies korrigiert.

 

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