Offener Brief an Innenminister Seehofer | Musikclubs & Livespielstätten baurechtlich als Kulturorte anerkennen

2. Juli 2020

Das parlamentarische Forum Clubkultur bei der Übergabe an Minister Seehofer.

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

Die in diesem Land gelebte Clubkultur ist für viele Menschen wesentlicher Bestandteil ihres kulturellen Lebens und wichtiger Bestandteil der kulturellen Vielfalt Deutschlands. Die Clubkultur hat sich in den letzten Jahrzehnten rund um live gespielte Musik in Musikclubs und Livespielstätten (weiter: Clubs) entwickelt und bewegt pro Jahr über 30 Millionen Menschen. Die Clubszene hat Brachen und Stadtgebiete wiederbelebt, oftmals baukulturell und architektonisch aufgewertet und dabei einmalige Formen der Nutzung und Architektur geschaffen. Die Clubszene ist schon lange keine unorganisierte Spontanveranstaltung mehr, sondern Kulturgut, Rückzugsort, Arbeitgeber, Impulsgeber und Wirtschaftskraft, häufig entstanden aus intrinsischen und sozio-kulturellen Engagement und Eigeninitiative überall in Deutschland mit rund 30.000 Angestellten und einem Jahresumsatz rund 600 Millionen Euro.

Um die Clubkultur und seine Musikclubs und Livespielstätten zu erhalten und zu fördern, hat sich im Februar 2020 das überfraktionelle “Parlamentarisches Forum Clubkultur“ aus den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE sowie Bündnis 90/Die Grünen gegründet.

Dabei liegt uns insbesondere am Herzen, das die Bürger in Städten leben können, in denen sie „Wohnen, Arbeiten und Freizeit“ miteinander in Verbindung bringen können.

Die derzeitige BauNVO spiegelt nicht mehr das Verständnis einer solchen modernen Stadt wieder. Diese Einschränkungen zeigen sich exemplarisch daran, dass Clubs nach aktueller BauNVO als „Vergnügungsstätten“ gewertet werden und in nur wenigen ausweisbaren Gebieten angesiedelt und betrieben werden dürfen. Dies trägt zum Sterben vieler Clubs bei. Ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur geht dabei verloren.

Das parlamentarische Forum ist fraktionsübergreifend der Ansicht, dass diese Einteilung den Clubs als „Vergnügungsstätten“ nicht angemessen ist. Sie sind Kulturstätten und sollten auch in der BauNVO als „Anlagen für kulturelle Zwecke“ gewertet werden. Wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages teilen die Ansicht der Expertinnen und Experten, die sich in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen für eine Anpassung der BauNVO ausgesprochen hatten.

Das Forum möchte Sie mit diesem Brief freundlich auffordern, diesen Missstand zu ändern und in einem unkomplizierten Verfahren zu ermöglichen, dass Musikclubs und Livespielstätten als „Anlagen für kulturelle Zwecke“ in der BauNVO gewertet werden.

Außerdem möchten wir Sie bitten, sich im aktuellen Gesetzgebungsverfahren der Baugesetzbuchnovelle für die seit Jahren diskutierte „Experimentierklausel Lärmschutz“ einzusetzen. Die Klausel kann in Zukunft neue technische Lösungen bieten. Mit diesen Regelungen können wir den Fortbestand vieler Clubs und anderer Kulturstätten in Deutschland ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen,

 

die Gründungsmitglieder für das Parlamentarischen Forums Clubkultur

 

Hagen Reinhold (MdB/FDP), Caren Lay (MdB/Die Linke), Klaus Mindrup (MdB/SPD), Erhard Grundl (MdB/Bündnis 90/Die Grünen), Kai Wegner (MdB/CDU)

 

Die vollständige Liste der Unterzeichner*innen finden Sie hier im PDF.


Mein Statement (01.07.2020):

 

„Ich finde es sehr gut, dass wir dieses überfraktionelles Forum für die Clubkultur bilden konnten und unsere Clubs und Livemusikspielstätten, die zu unserer kulturellen Vielfalt gehören und für viele Menschen Lebenselixier sind, endlich als das wertschätzen, was sie sind: Kulturorte!“

Die Forderungen entsprechen dem grünen Antrag „Last Night a DJ Saved My Life – Clubkultur erhalten – Clubs als Kulturorte anerkennen“ (BT-Drs. 19/15121)

Pressemitteilung vom 01.07.2020:

 

Am heutigen Mittwoch hat das Parlamentarische Forum Nachtleben und Clubkultur des Deutschen Bundestages einen fraktionsübergreifenden offenen Brief von Vertretern der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen an Bundesminister Horst Seehofer mit der Forderung übergeben, Musikclubs und Livespielstätten baurechtlich als Anlagen für kulturelle Zwecke anzuerkennen und sich für flexible und innovative Lösungen im Lärmschutz einzusetzen.

Die gelebte Clubkultur rund um die live gespielte Musik in Musikclubs und Livemusikspielstätten ist ein großer kultureller und wirtschaftlicher Wert dieses Landes. Innovative Menschen haben in den letzten Jahrzehnten architektonisch, unternehmerisch, kulturell und gesellschaftlich einmalige Angebote geschaffen, die heute jährlich mehr als 30 Millionen bewegen, rund 30.000 Angestellte beschäftigen und einen Jahresumsatz von ca. 600 Millionen Euro erwirtschaften.

Das „Parlamentarische Forum Clubkultur“ setzt sich für den Erhalt und die Förderung der Clubkultur, der Musikclubs und Livespielstätten ein. Elf Bundestagsabgeordnete des Forums haben aus diesem Grunde Bundesminister Seehofer in einem offenen Brief aufgefordert, im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Baugesetzbuchnovelle, Clubs als Kultur anzuerkennen. Konkret sollen Musikclubs und Livemusikspielstätten als „Anlagen für kulturelle Zwecke“ in der Baunutzungsverordnung eingestuft werden, damit Clubs sich leichter in Innenstädten, aber auch in ländlichen Regionen ansiedeln können und kulturelle Vielfalt erhalten bleibt. Außerdem soll die in der Diskussion befindliche „Experimentierklausel Lärmschutz“ in das Gesetzgebungsverfahren aufgenommen werden. Durch die Klarstellung, dass an Kulturstätten heranziehende oder -bauende selbst die Verantwortung für Immissionsschutz tragen und durch modernisierte Emissionsmessungen können viele Lautstärkekonflikte vermieden werden.

„Clubs sind Kultur und bilden wie kaum ein Zweites die moderne Stadt ab, in der „Wohnen, Arbeiten und Freizeit“ wieder enger miteinander in Verbindung gebracht werden müssen“, sind sich die Gründungsmitglieder des Parlamentarischen Forums Clubkultur einig. Das Parlamentarische Forum wurde im Februar 2020 von den Bundestagsabgeordneten Caren Lay (DIE LINKE), Hagen Reinhold (FDP), Erhard Grundl (GRÜNE), Klaus Mindrup (SPD) und Kay Wegner (CDU) gegründet. Ziel ist den Fortbestand der Clubkultur zu sichern und sie politisch zu unterstützen.


 

Presseberichterstattung: „Überfraktioneller offener Brief an Minister Seehofer – Anerkennung von Clubs als Kulturorte“, Wochenblatt, 06.07.2020

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