Meine Rede zur Generaldebatte zur Regierungserklärung
21. März 201822. Sitzung
TOP 5 Generalaussprache (einschließlich Kultur sowie Digitales)
„Kulturpolitik muss die Voraussetzungen schaffe, damit Kunst entstehen kann, in all ihrer Vielschichtigkeit als Ausdruck unserer freien Gesellschaft.“
Die Koalition muss ihre Verpflichtung gegenüber den Kulturschaffenden einhalten indem sie sozial-, arbeits-, und vertragsrechtliche Mindeststandards schafft und Gendergerechtigkeit im Kulturbetrieb fördert.
Protokoll des Bundestags:
Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Staatsministerin Grütters! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wesen der Kunst ist es, Neues zu schaffen, Altes gegen den Strich zu bürsten, zu überraschen, schillernd, hässlich oder auch konfrontativ zu sein. Kunst muss uns nicht gefallen. Es ist nicht an uns als Politiker, Kunst zu beurteilen oder sie gar durch Vorgaben einer sogenannten Leitkultur zu gängeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Älteren – ich möchte nicht sagen: die ganz Alten – können sich vielleicht an die letzte – in Anführungszeichen – „konservative Revolution“ erinnern,
(Alexander Dobrindt : Waren Sie dabei?)
die Mitte der 1980er-Jahre von CDU und CSU unter Kanzler Kohl in der Bundesrepublik als geistig-moralische Wende ausgerufen wurde. Recht viel mehr als das Privatfernsehen und die Schwarzgeldkonten hat sie für unser Land nicht gebracht,
(Stefan Müller : Sie sind ja ein Scherzkeks!)
und sehr viel mehr ist auch vom Begriff der Leitkultur nicht zu erwarten,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
der inhaltlich bis heute wie „eine Flasche leer“ ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kulturpolitik muss die Voraussetzungen schaffen, damit Kunst entstehen kann – in all ihrer Vielschichtigkeit als Ausdruck unserer freien Gesellschaft. Gerade heute, da wir uns mit der Spaltung unserer Gesellschaft konfrontiert sehen, muss ein entscheidendes Ziel die kulturelle Teilhabe für alle sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Dabei muss auch der Kulturbetrieb raus aus der Wohlfühlecke und diese Aufgabe mit Lust und Freude annehmen.
Der Koalitionsvertrag geht von einem offenen Kulturbegriff aus; das begrüße ich. Sie erkennen die Notwendigkeit, die soziale Lage von Kreativen zu verbessern. Allerdings soll der Bericht dazu erst im Laufe der Legislaturperiode kommen. Warum so spät?
(Volker Kauder : Genau! Richtig!)
Das erschließt sich nicht. Wie schon in Ihrem Koalitionsvertrag von 2013 kündigen Sie eine sachgerechte Anschlussregelung beim Arbeitslosengeld an. Wie diese Regelung ausgestaltet werden soll, bleibt nach wie vor offen.
Mit dem jetzigen Koalitionsvertrag wecken Sie viele Erwartungen bei den Menschen, die im Kulturbetrieb tätig sind. Sie gehen damit eine große Verpflichtung ein. Wir als Opposition werden Sie kontinuierlich daran erinnern, dass dieser Vertrag mehr sein muss als schöne Worte auf Papier;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
denn die Menschen, die im Kulturbetrieb tätig sind, brauchen ganz konkrete Verbesserungen. Was sie brauchen, ist die soziale Absicherung von Kreativen und Selbstständigen mit geringem Einkommen durch die Einbeziehung in die sozialen Sicherungssysteme.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wir brauchen hier mehr als Prüfabsichten der Regierung. Wir brauchen sozial-, arbeits- und vertragsrechtliche Mindeststandards, gerade dann, wenn Kreative nicht fest angestellt sind – und das alles brauchen wir schnell.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder : Richtig!)
Die Kulturförderung muss transparenter und gerechter werden. Frauen sind in den Entscheidungsgremien des Kulturbetriebs noch immer deutlich unterrepräsentiert. Für die Kulturförderung muss die verbindliche geschlechtergerechte Quote gelten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, Sie kennen das Schiller-Wort von der Kunst als „Tochter der Freiheit“. Wir wollen, dass Künstlerinnen und Künstler sowie Kreative sich einmischen. Wir wollen, dass sie uns andere Sichtweisen eröffnen und uns mit ihren Talenten bereichern. Wenn wir als Deutsche uns als Kulturnation verstehen und rühmen, dann müssen wir uns heute für die Freiheit der Kunst und gegen jeden Versuch der Normierung und Gängelung einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder : Dann doch keine Quote! Freiheit der Kunst!)